Vom Saatkorn zum Saatgut
Saatgutgewinnung am Beispiel einer Rotkohlpflanze - Das zweite Jahr

Das zweite Jahr einer Rotkohlpflanze

Im Frühjahr des nächsten Jahres lagern wir die ganzen Pflanzen wieder aus. Wir legen alle Pflanzen auf den Boden und schauen uns diese genau an. Wir schauen danach, wie gut die Pflanzen den Winter im Kühlhaus überlebt haben. Wir schauen, ob sie sich irgendwelche Krankheiten eingefangen haben oder ob sie vielleicht schimmelig geworden sind.

Selektion der Samenträger

Die Pflanzen, die den Winter am besten überstanden haben und den Charakter der Sorten, z.B. die Form des Kopfes und den Geschmack am besten wiedergeben, werden Saatgutträger.

Aus diesen Saatgutträgern wollen wir das zukünftige Saatgut gewinnen.

Vorbereitung der Samenträger

Der Wurzelballen wird von der Erdkruste befreit. Der Rotkohlkopf wird dann vorsichtig beschnitten.

Die Rotkohlblätter, die im ersten Lebensjahr der Pflanze für die Ernährung des Menschen dienen, werden abgetrennt. Der innere Strunk der Pflanze bleibt stehen. Die Schnittstellen werden mit Buchenholzkohle bestrichen.

Dies ist eine sehr staubige Angelegenheit. Die Buchenholzkohle dient zur Desinfektion, sie soll vermeiden, dass die Samenträger an den Schnittstellen anfangen zu faulen.

Pflanzen der Saatgutträger

Die vorbereiteten Saatgutträger werden bei unserem Freund und Pflanzenzüchter Sebastian Vornhecke in einem speziellen Gewächshaus wieder eingepflanzt.

Wir bevorzugen ein Gewächshaus, da die Saatgutträger sehr empfindliche Pflanzen sind. Bei starkem Wind können sie sehr schnell beschädigt werden. Zuerst beginnen die Wurzeln wieder Fuß zu fassen. Sie orientieren sich und wachsen im neuen Boden wieder an. Dann fangen die Saatgutträger an, ihren Saatgutstrauch zu bilden.

Dort, wo im ersten Jahr die Frucht war, also der Kohlkopf, wachsen neue Triebe. In dem zweiten Jahr wächst kein Kopf, sondern eine rapsähnliche Pflanze. Die Pflanze wird bis zu 1,60 m hoch.

Der Saatgutträger bildet Blüten

Nach ca. 100 Tagen bildet der Saatgutträger Blütenknospen. Bevor die Saatgutträger anfangen zu blühen, wird der komplette Bestand mit einem speziellen Mückennetz eingepackt. Dieses spezielle Netz verhindert, dass fremde Pollen und fremde Insekten sich mit unseren Saatgutträgern anpaaren.

Wir wollen natürlich nur das schönste Saatgut von den schönsten Pflanzen haben, deshalb haben wir ja den Rotkohl einmal auf dem Feld im Herbst des Vorjahres und einmal noch nach der Winterpause selektiert. Die Saatgutträger bilden hunderte wunderschön tiefgelbe Blüten. Stehen die Saatgutträger in der Hochblüte, dann werden Hummeln unter dieses Netz gelassen. Die Hummeln übernehmen jetzt gezielt die Bestäubung der Blüten.

Die Blüten der Saatgutträger werden bestäubt

In der Natur gibt es drei Bestäubungsmöglichkeiten:

Bestäubung bei einhäusigen Pflanzen: Bei einhäusigen Pflanzen gibt es weibliche und männliche Blüten, die sich auf einer Pflanze befinden. Sehr gut kann man das bei Zucchini beobachten. Die gelbe Blüte vom Vater ist oft noch vorhanden, wenn die Frucht (aus der Mutterblüte) schon angesetzt hat. Mutter und Vater in einer Pflanze – in einem Haus.

Die Bestäubung bei zweihäusigen Pflanzen: Bei zweihäusigen Pflanzen gibt es rein männliche Pflanzen und rein weibliche Pflanzen. Für die Bestäubung müssen die Pollen der männlichen Pflanze zur Blüte der weiblichen Pflanze getragen werden. Von einem Haus zum anderen – daher zweihäusig.

Die Bestäubung bei zwittrigen Pflanzen: Der Rotkohl ist eine zwittrige Pflanze. Bei zwittrigen Pflanzen sind männliche und weibliche Bestandteile in einer Blüte untergebracht. Die Hummeln sorgen dafür, dass die Pollen in der Blüte auf den Stempel fallen.

Bildung der Saatgutkapseln

Nachdem die Blüten von den Hummeln bestäubt wurden, bildet sich in der Mitte der Blüte eine Saatgutkapsel. Die Blütenblätter fallen ab und es wachsen länglich grüne Saatgutkapseln heran. Die Saatgutkapseln werden ca. 6 cm lang und haben eine dunkel-lila Farbe.

In den Saatgutkapseln wächst das Saatgut heran

Sind die Saatgutkapseln lang genug, bilden sich in jeder Saatgutkapsel ca. 50 Saatkörner. Die Saatkörner sind braun-schwarz gefärbt.

Ernte des Saatgutes

Wenn die Saatgutkapseln eine braun-schwarze Farbe erreicht haben und sie sich trocken und knackig anfühlen und wenn man die Körner in den Schoten hört, wenn man vorsichtig dagegen klopft, dann ist der richtige Zeitpunkt erreicht, wo der ganze Saatgutträger ca. 10 cm oberhalb des Erdbodens abgeschnitten wird. Die ganzen Pflanzen werden auf ein Pflanzenvlies ausgelegt und noch 8 -10 Tage nachgetrocknet. Durch dieses Nachtrocknen erreichen wir, dass alle Saatkörner gleichmäßig reif sind. Das Dreschen der Saatkörner Die Saatgutkapseln werden durch vorsichtiges Reiben der ganzen Pflanze aufgebrochen. Die Saatgutkörner fallen heraus und werden durch mehrmaliges Sieben und mithilfe von Wind von der Spreu getrennt. Durch diesen Prozess erntet man pro Pflanze 8000 bis 8500 Saatkörner.